Wie entwickelt sich die Sicherheit in Deutschland und der Welt? Welche Ereignisse haben diese Entwicklung neben der Pandemie beeinflusst? In der digitalen Veranstaltungsreihe „Sicherheitspolitische Tage 2021“ ging der BVSW diesen Fragen nach und präsentierte diesbezüglich insgesamt sechs hochkarätige Referenten.

„Der März ist in normalen Zeiten der Monat, in dem wir unsere traditionelle BVSW Wintertagung veranstalten, um über die wichtigsten sicherheitspolitischen Trends zu informieren.“, so BVSW Geschäftsführerin Caroline Eder. „Leider musste die Wintertagung dieses Jahr pandemiebedingt ausfallen, doch die digitalen Sicherheitspolitischen Tage haben dafür gesorgt, dass keine Informationslücke entsteht.“

Im Zeitraum vom 25. März bis 29. April gaben insgesamt sechs Referenten Einblicke in ihr Fachgebiet.

25. März 2021 – Herbert Saurugg
Internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte

Der internationale Blackout- und Krisenvorsorgeexperte Herbert Saurugg zeigte eindrucksvoll, dass bald eine andere Krise die Pandemie in den Schatten stellen könnte: Ein Blackout, ein kompletter Stromausfall also, hätte weitreichende Folgen für die Unternehmen und die Sicherheitslage in Deutschland. Anfang des Jahres hätte es fast ein solches Ereignis gegeben, erklärte Saurugg: Eine Überlastung in einem Umspannwerk in Kroatien führte zu einer Kaskade von mehreren Abschaltungen. Zwar konnte die schnelle Intervention der europäischen Netzbetreiber einen Blackout verhindern, doch dass es trotz der intensiven Schutzmaßnahmen zu einem solchen Ereignis kam, sollte allen eine Warnung sein. Damit die Konferenzteilnehmer ihr Unternehmen für den Fall eines Blackouts absichern können, erhielten sie im Anschluss an den Vortrag noch eine Checkliste mit den wichtigsten Punkten für eine Blackout-Vorsorge.

1. April 2021 – Dr. Gunther Schmid
Professor für internationale Politik und Sicherheit

Dass die Pandemie keinen Epochenbruch darstellt, erklärte Dr. Gunther Schmid, emeritierter Professor für internationale Politik und Sicherheit. Vielmehr hätten sich alle bereits vorhandenen Trends der Weltpolitik in der Krise eher verstärkt, wie beispielsweise die strategische Großmachtrivalität zwischen den USA und China. Nach Ansicht von Dr. Schmid verdichtet sich die Krise zu einer globalen Konfrontation um die geostrategische, machtpolitische technologische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert im Zeitalter der digitalen Ökonomie. Die regelbasierte liberale Weltordnung, nach der wir bislang gelebt haben, gerate dabei zunehmend ins Wanken. Deutschland werde sich überlegen müssen, wie es sich positioniert zwischen den Interessen der USA, Chinas und auch Russlands. Und auch wenn autoritär geführte Staaten an Einfluss gewinnen, sieht Dr. Schmid die Situation der westlichen Systeme positiv – ihre Fähigkeit zur Selbstkorrektur sei ein unschlagbarer Vorteil.

8. April 2021 – Dr. Ulrike Franke
Senior Policy Fellow am European Council of Foreign Relations

Der Vortrag von Dr. Ulrike Franke, Senior Policy Fellow am European Council of Foreign Relations, lenkte den Blick des Auditoriums auf einen der wichtigsten technologischen Trends unserer Zeit, die künstliche Intelligenz. Sie eignet sich nicht nur für zivile Einsatzwecke, sie verspricht auch im militärischen Bereich viele Vorteile. Von der verbesserten Logistik über die vorausschauende Wartung bis hin zur Vorhersage von Krisensituationen reichen dabei die Anwendungsgebiete. Damit lassen sich Kosten einsparen, die physische Belastung des Personals senken und nicht zuletzt neue militärische Fähigkeiten entwickeln, wie beispielsweise die Schwarmbildung. Neben allen ethischen, legalen und technologischen Bedenken sieht Dr. Franke ein großes Risiko in drohenden „Flash-Wars“, die durch den Einsatz von KI entstehen könnten. Ähnlich wie Computersysteme an der Börse aufeinander reagieren und einen Kurssturz verursachen könnten, so besteht theoretisch auch die Möglichkeit, dass Computersysteme im Militär selbstständig aufeinander reagieren und Konflikte so eskalieren. Trotz all der Risiken wird in diesem Bereich dennoch intensiv geforscht.

15. April 2021 – Prof. Dr. Alexander Straßner
Professor für Politikwissenschaften

Die Bilder vom Sturm auf den Reichstag und das Kapitol sind allen noch präsent. Könnte sich ein solches Ereignis in Deutschland wiederholen? Eher nicht, so die Einschätzung des Politologen Dr. Straßner von der Universität Regensburg. Tatsächlich unterscheidet sich der Rechtsextremismus in den USA in vielen Punkten von dem in der BRD:  Beispielsweise bildet die politische Kultur mit ihrem radikalen Verständnis von Individualität und „Freedom of Speech“ einen idealen Nährboden für die Bildung extremistischer Subkulturen. Auch gibt es in den USA ein positives Narrativ, auf das sich der Rechtsextremismus dort stützt. Zudem bieten mächtige Organisationen wie der Ku Klux Klan Anknüpfungspunkte für neue extremistische Gruppierungen.
Zwar fehlen alle diese Merkmale dem Rechtsextremismus in der BRD, doch die große Gefahr aller extremistischen Gruppierungen dies- und jenseits des Atlantiks besteht in dem Potential, radikale Einzeltäter hervorzubringen, sogenannte „Lone-Wolf Terroristen“. Sie handeln unabhängig von einer Gruppierung, und ihr Radikalisierungsprozess ist auch für ihr näheres soziales Umfeld extrem schwer zu erkennen.

20. April 2021 – Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer
Landespolizeipräsident Bayern

Dass Extremismus in allen Bereichen auf dem Vormarsch ist, bestätige auch der Präsident der bayerischen Landespolizei, Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer, in seinem Vortrag zu den Entwicklungen im Bereich der inneren Sicherheit. Insgesamt sank im Corona-Jahr die Kriminalitätsbelastung in Bayern auf den niedrigsten Stand seit 41 Jahren. Doch es gibt Bereiche, in denen deutlich mehr Delikte verzeichnet wurden als im Jahr zuvor: Die Straftaten im Internet schossen gleich um 20 Prozent in die Höhe. Laut Dr. Schmidbauer ist es trotz der immer raffinierteren Angriffsmethoden trotzdem möglich, die Täter zu fassen. Die Polizei hilft, indem sie unter anderem Unternehmen bei der Verhandlung mit den Tätern hilft, die Lösegeld für die Entschlüsselung von Daten erpressen wollen. Auch weitere Maßnahmen wie die Zentrale Anlaufstelle für Cyberkriminalität (ZAC) im Landeskriminalamt oder speziell geschulte Beamte in jeder Polizeidienststelle sollen helfen, dem Trend entgegenzuwirken.

29. April 2021 –Dr. Benedikt Franke
CEO der Münchner Sicherheitskonferenz

Wie sich die transatlantische Zusammenarbeit erneuern und die Zusammenarbeit verbessern lässt, darüber referierte am 29. April Dr. Benedikt Franke, CEO der Münchner Sicherheitskonferenz. „America is back!“, war die zentrale Aussage den neuen US-Präsidenten Joe Biden auf dem digitalen Sonderformat der Münchner Sicherheitskonferenz am 19. April 2021. Tatsächlich haben die USA seit dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten zahlreiche Bündnisse erneuert, beispielsweise mit der WHO und dem Pariser Klimaabkommen.
Amerika steht also zu seinem transatlantischen Bündnis, doch wie sieht es mit Europa aus? Tatsächlich gibt es einige Themen, die Amerika verunsichern, und Dr. Benedikt Franke erklärte die wichtigsten davon: Da wäre zum einen die schwierige und unklare Haltung von Deutschland und Europa zu China und Russland, das Streben nach europäischer Souveränität in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere immer wieder thematisiert durch Frankreich. Aber auch die Debatte um die strategische Energievorsorge in Form der Nordstream 2 Pipeline sorgt für Unverständnis, ebenso wie das nicht so oft beachtete Thema der technologischen Entwicklung.