Florian Stein, 44, leitet das Security Center bei Siemens. Im Interview erklärt er, was seinen Arbeitsalltag so spannend macht und welche Eigenschaften man für einen Job im Security Center mitbringen sollte.
BVSW: Welche Aufgabe hat ein Security Center im Unternehmen?
Florian Stein: Wann immer sich ein Mitarbeitender in einer Not- oder Gefahrensituation befindet ist das Security Center der richtige Ansprechpartner und versucht, bestmöglich zu unterstützen. Dafür sind wir rund um die Uhr erreichbar und können in sicherheitskritischen Situationen sofort intervenieren.
Um potenzielle Bedrohungen schon im Voraus zu erkennen, überwacht das Security Center die Nachrichtenlage sowie die Sozialen Medien und hält die Mitarbeitenden auf dem Laufenden. Siemens beschäftigt in seinem Security Center ein 15-köpfiges Team, das in drei Schichten die 24/7-Erreichbarkeit sichert. Kleinere und mittlere Unternehmen lagern diese Aufgabe oft an externe Dienstleister aus oder übertragen sie anderen Bereichen, wie beispielsweise dem Werkschutz.
BVSW: Wenn Sie die Nachrichtenlage beobachten, worauf achten Sie da genau?
Florian Stein: Auf jede Art von potenziellen Bedrohungen für unsere Niederlassungen, Projekte und Mitarbeitenden auf der ganzen Welt. Das können konkrete Gefahren sein, also Naturkatastrophen, wie beispielsweise Erdbeben oder Überschwemmungen, politische Unruhen, Krieg oder auch Fälle von Vandalismus und Diebstahl.
Darüber hinaus achten wir auf abstrakte Gefahren, die sich anhand von gewissen Trends möglicherweise schon lange im Voraus abzeichnen. Auch das Brand-Monitoring, also wie im Internet über das Unternehmen gesprochen wird, gehört dazu. Anhand der Themen und Tonalität wird dann abgeschätzt, ob und welche Gefahren möglicherweise drohen.
Für diese Arbeit nutzen wir zum einem KI-gestützte Medien-Monitoring Tools zum anderen führen wir sogenannte OSINT-Recherchen durch. Dabei werden Informationen, aus verschiedenen, frei verfügbaren Quellen gesammelt und analysiert. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, die Informationen auch zu verifizieren.
BVSW: Was genau ist Ihre Aufgabe im Security Center von Siemens?
Florian Stein: Als Vorgesetzter bin ich für die strategische Planung verantwortlich und agiere gleichzeitig als Bindeglied zu den Nachbarabteilungen, wie beispielsweise der Reisesicherheit. Ich entscheide, welche Tools für die Erfüllung unserer Aufgaben notwendig sind und kümmere mich um deren Anschaffung. Wenn wir neue Aufgaben in unseren Bereich übernehmen, plane ich die Schulungen und Weiterbildung der Mitarbeitenden. Außerdem kümmere ich mich um die klassische Personalplanung.
BVSW: Wie war Ihr Weg zu Ihrer aktuellen Aufgabe?
Florian Stein: Nach Abschluss der mittleren Reife habe ich eine Schreinerlehre absolviert. Anschließend stand der Wehrdienst an, wo ich mich für vier Jahre bei den Feldjägern verpflichtet habe. Dort war ich im Personenschutz tätig. Im Anschluss an meinen Wehrdienst habe ich dann bei Siemens eine Stelle in diesem Bereich angenommen. Kurz darauf wurde eine Position im Security Center ausgeschrieben. Der Aufgabenbereich erschien mir noch vielseitiger zu sein und gleichzeitig hoffte ich auf eine bessere Planbarkeit im Privatleben, weshalb ich mich dann auf die Stelle beworben habe. Mittlerweile bin ich seit bald 20 Jahren in dieser Abteilung tätig.
BVSW: Welche Eigenschaften sollte man für diesen Job mitbringen?
Florian Stein: Teamfähigkeit ist sehr wichtig, denn die komplexen Situationen lassen sich nur gemeinsam lösen. Starke Kommunikationsfähigkeiten sowie solide Englischkenntnisse sind ebenso unabdingbar. Auch ein gewisses Maß an Kreativität und Improvisationstalent ist von Vorteil, denn keine Situation gleicht der anderen und erfordert deshalb jedes Mal eine andere Herangehensweise.
Eine gewisse politische Allgemeinbildung sowie geopolitisches Wissen gehören ebenso zum Handwerkszeug, um die unterschiedlichen Vorfälle richtig einordnen zu können. Und natürlich sollte man Freude an der Arbeit mit Computern und Daten haben. Eine konkrete Ausbildung hingegen gibt es nicht. In unserer Abteilung arbeiten BWL-Absolventen ebenso wie Menschen mit einer handwerklichen Ausbildung oder mit einem beruflichen Hintergrund im Werkschutz.
BVSW: Was ist für Sie das Besondere an der Security?
Florian Stein: Die unglaubliche Vielschichtigkeit dieser Aufgabe, sowie die Abwechslung, die sie bietet. Kein Tag, keine Schicht und kein Vorfall gleichen jemals dem anderen. Außerdem erhält man tiefe Einblicke in das Unternehmen und seine Abläufe. Die Tatsache, dass man ganz konkret in schwierigen Situationen helfen kann, ja manchmal sogar Leben rettet, sorgt für eine große Zufriedenheit. Andererseits ist man durch die permanente Social Media Analyse ununterbrochen mit negativen Meldungen konfrontiert. Hier muss man darauf achten, sich abzugrenzen und sich immer wieder die positiven Dinge vor Augen zu halten.
BVSW: Vorstellung versus Realität: Was hat Sie beim Start in Ihre aktuelle Aufgabe überrascht, bzw. was haben Sie sich anders vorgestellt?
Florian Stein: Ich hatte erwartet, dass es je nach Vorfall womöglich eine Prozessbeschreibung gibt, die erklärt, wie man vorzugehen hat, um das Problem zu lösen. Aber die gibt es nicht. Die zweite Überraschung war, dass niemand im Unternehmen die Security Abteilung zu kennen schien. Das lag zum einem daran, dass die Aufgaben vieler Mitarbeitender keinerlei Berührungspunkte mit der Security haben, weil sie beispielsweise nie auf Dienstreisen gehen. In Reiseunterlagen sind unsere Kontaktdaten immer hinterlegt. Mittlerweile ist aber die Bekanntheit im Unternehmen gestiegen, weil wir regelmäßig über unsere Aufgaben und Angebote kommunizieren.
BVSW: Wie lässt sich die Arbeit im Security Center mit dem Privatleben vereinbaren?
Florian Stein: Weil der Schichtdient alternativlos ist, muss der Partner die Situation akzeptieren können und wollen. Auch regelmäßige Aktivitäten im Sportverein, oder Treffen mit Freunden an Wochenenden sind nicht mehr im gewohnten Maß möglich. Der Vorteil für mich war allerdings, dass man durch die Schichtarbeit und die freien Tage zwischendurch seine Kinder in unterschiedlichen Phasen kennenlernen und begleiten darf. Es ist möglich, auch mal unter der Woche etwas gemeinsam zu unternehmen und private Termine wahrzunehmen. Bei einem klassischen 9-to-5 Job sind die Begegnungen mit der Familie meistens auf bestimmte Tageszeiten limitiert.
BVSW: Wie reagieren die Leute, wenn Sie erzählen, dass Sie im Security Center arbeiten?
Florian Stein: Vor dem geistigen Auge sehen sie mich mit einer Taschenlampe am Werkszaun entlangschleichen. (lacht) Meistens muss ich tatsächlich weit ausholen, um zu erklären, welche Aufgaben in den Bereich fallen. Die Reaktionen dann sind aber durchwegs positiv.
BVSW: Vielen Dank für das Gespräch!
*Bei Siemens ist die Unternehmenssicherheit direkt dem Vorstand unterstellt, das CE steht deshalb „Chief Executive’s Office“. „SEC“ ist die Abkürzung für „Security“ und „SOC“ für „Security Operations Center“, ein Abteilungsverbund aus den operativen Einheiten Sicherheitslage, Krisenmanagement, Ermittlungsdienst und Security Center. „SC“ steht für „Security Center“.